Letztes Update: 30. August 2024
Sie lesen, warum abgestimmtes Handeln von Schulen, Jugendhilfe, Gesundheitsdiensten und Polizei entscheidend ist, um Kinder nachhaltig zu schützen. Der Artikel erläutert Praxisbeispiele, Kommunikationswege und konkrete Schritte für bessere Kooperationen in Ihrer Kommune.
Vor 18 Jahren starb der zweijährige Kevin unter der Obhut des Bremer Jugendamts. Die Einsparpläne des Finanzressorts im Vorfeld, die mangelnde Kooperation der unterschiedlichen Akteur:innen und die Prozesse danach – angesichts neuer Sparvorgaben kam das, was damals bundesweit Schlagzeilen machte, am ersten landesweiten „Fachtag Kooperation und Dialog im Kinderschutz“ an der Hochschule Bremerhaven erneut zur Sprache. 150 Fachleute aus Jugendhilfe, Gesundheitswesen, Schule und Polizei waren auf Einladung von Senatorin Dr. Claudia Schilling zusammengekommen. Die Keynotes hielten Prof. Dr. Michael Böwer von der Hochschule Bremerhaven und Dr. jur. Thomas Meysen, SOCLES-Institut in Heidelberg.
Bremerhaven. So voll wie an diesem Morgen ist der Hörsaal S207 der Hochschule Bremerhaven in der vorlesungsfreien Zeit selten. Gut 150 Menschen sitzen auf den stufenförmig angeordneten hölzernen Klappbänken; zwei Nachzüglerinnen machen es sich auf den großen Stufen im Saal bequem. Sie alle arbeiten beruflich mit Kindern, Jugendlichen und Familien und wollen sich bei der ersten Fachtagung zum Kinderschutz des Landes Bremen einen Tag lang austauschen, vernetzen und bestehende Strukturen nutzen und stärken. „Als Rektor dieser Hochschule, aber auch als Bürger Bremerhavens und Vater zweier erwachsener Töchter ist es mir ein Herzensanliegen, dass wir alles in unserer Macht Stehende dafür tun, um Kinder zu schützen und bestmöglich zu fördern“, begrüßt sie Hochschulrektor Prof. Dr. Dr. h.c. Alexis Papathanassis. Dass dies auch in Zeiten knapper Kassen und Sparzwängen garantiert gelingen müsse, fordert Martin Günthner, Bremerhavener Stadtrat und Dezernent für Soziales, Arbeit und Jugend, gleich zu Beginn der Tagung und löst damit heftiges Kopfnicken im Saal aus. „In Bremen und Bremerhaven sind wir gut aufgestellt und haben viel in Strukturen und Zusammenarbeit investiert“, erklärt Rolf Diener, Leiter der Obersten Landesjugendbehörde, der den Teilnehmenden auch im Namen von Bremens Senatorin für Arbeit, Soziales, Jugend und Integration, Dr. Claudia Schilling, für ihr tägliches Engagement zum Schutz von Kindern und Jugendlichen in Bremerhaven und Bremen dankt. „Die staatliche Gemeinschaft wacht über das Kindeswohl. Es liegt in unser aller Verantwortung, dass Kinder und Jugendliche in einer sicheren und fördernden Umgebung aufwachsen können“, fügt er hinzu. Dafür gelte es, „institutionell beim Kinder- und Jugendschutz an einem Strang zu ziehen“. Genau das wollen die Teilnehmenden im Saal heute tun.
Kooperation ist das Kernthema dieser Tagung. Prof. Dr. Michael Böwer, der an der Hochschule Bremerhaven Soziale Arbeit lehrt und im Verbund mit dem Ressort an die Hochschule eingeladen hat, ist selbst ein Mann der Praxis. Als Sozialarbeiter hat er bei der Bremer Caritas Familien in schwierigen Lebenslagen und bei Erziehungsfragen unterstützt. Seit sechzehn Jahren lehrt und forscht er als Wissenschaftler zum Thema Kinderschutz und sexualisierter Gewalt und entwickelt Projekte, um Praktiker:innen und Studierende für das Thema zu sensibilisieren. „Kooperation ist mein Leib- und Magenthema“, bekennt er. „Ich will heute mit Ihnen einen systemischen Weg aufzeigen – denn wir verstehen uns gemeinsam als Hilfesystem.“ Das setze voraus, dass staatliche und nichtstaatliche Akteur:innen, beispielsweise Mitarbeitende von Jugendämtern, Kitas, Lehrer:innen, Mediziner:innen, Polizei, aber auch Bürger:innen, Kinder und Jugendliche sich vertrauensvoll auf Augenhöhe begegnen. Gemeinsam könnten so mögliche Lücken im System identifiziert und bestehende Strukturen zum Schutz der Jüngsten in der Gesellschaft gestärkt werden. „Kooperation beruht auf Vertrauen“, sagt Böwer. „Einander zu verstehen setzt Vertrauen voraus. Und man muss bereit sein, das Risiko einzugehen, dem Anderen eine gute Absicht zu unterstellen!“ Doch eine „Zaubermethode“ gebe es leider nicht. „Es kann sein, dass unser Gegenüber etwas anderes will, als wir.“ Es gehe daher auch immer um Augenhöhe und um wechselseitige Toleranz. „Das vermitteln meine Kolleg:innen und ich den Studierenden von Anfang an.“
Applaus vom Plenum erntet Michael Böwer für seine Feststellung, dass den im Kinder- und Jugendschutz Aktiven strukturell gesehen mehr Zeit zur Zusammenarbeit und zum Austausch haben und bekommen müssen. Die Aufgabe an die Politik laute: „Kooperationszeiten sind in Arbeitszeitberechnungen und in kassenärztliche Vereinbarungen integriert, auch bei Familiensituationen unterhalb der Kindeswohlgefährdung.“ Über die nötigen Strukturen für Austausch, Vernetzung und Wissenstransfer entspinnt sich eine angeregte Diskussion, die in wechselnden Fokus-Gruppen über den Tag fortgesetzt wird. Der zweite Keynote-Speaker Dr. Thomas Meysen vom SOCLES Institut in Heidelberg zeigt die Effekte von Meldeverpflichtungen und Datenschutzvorgaben im internationalen Vergleich auf. Diese führten nicht automatisch zu besserem Schutz, Kontrolle lasse auch Angst vor den Helfern wachsen.
Einig sind sich die Teilnehmenden darüber, dass es hilfreich sei, wenn eine konkrete Netzwerkperson Treffen und die Kommunikation im Stadtteil koordiniere. Hilfreich seien trägerübergreifende Balint-Gruppen, wie in Bremerhaven, die die Entwicklung eines gemeinsam geteilten Verständnisses in der Kinderschutzpraxis ermöglichen. Vor allem aber brauche es strukturelle Unterstützung. Führungskräfte, so einige Teilnehmende, sollten ihre Teams zu Kooperationen und ämterübergreifendem Austausch nicht nur ermutigen, sondern auch befähigen: „Sie gelingen eher, wenn Führungskräfte vermitteln: ,Kooperation ist wichtig, nehmt Euch Zeit dafür.‘ Es müsse auch Dritten klar sein, dass solche Treffen „keine Einladung zum Kaffeeklatsch sind, sondern dass wir über den Austausch Wissen teilen und vermehren“, bringt es ein Schulsozialarbeiter aus dem Bremer Westen auf den Punkt.
Dass die Veranstaltung ein voller Erfolg ist, zeigt die Schlussauswertung, an der mehr als 100 Teilnehmende aktiv mitwirken – nach sieben intensiven Arbeitsstunden. Sieben Themenfelder werden ausgemacht, an die die Folgeveranstaltung im kommenden Jahr in Bremen anknüpfen soll: Das Spektrum geht vom digitalen Kinderschutz über Fallzahlobergrenzen und abgestimmte Fallarbeit, Kinderschutz als Ausbildungsbestandteil bis hin zum Vernetzungswissen in der Hilfelandschaft.
Der Fachtag in Bremerhaven hat eindrucksvoll gezeigt, wie wichtig es ist, beim Kinderschutz institutionell an einem Strang zu ziehen. Nur durch eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit aller beteiligten Akteur:innen können wir sicherstellen, dass Kinder und Jugendliche in einer sicheren und fördernden Umgebung aufwachsen. Es liegt in unser aller Verantwortung, die Strukturen und Prozesse so zu gestalten, dass der Schutz der Jüngsten in unserer Gesellschaft gewährleistet ist. Die Erkenntnisse und Diskussionen dieses Tages bieten eine solide Grundlage, um den Kinderschutz durch institutionelle Kooperationen zu stärken und weiterzuentwickeln.
Beim Kinderschutz ist es wichtig, dass alle Beteiligten zusammenarbeiten. Nur so können wir sicherstellen, dass Kinder in allen Lebensbereichen geschützt sind. Ein gutes Beispiel für erfolgreiche Zusammenarbeit ist das Projekt "Schülergemeinschaft stärken durch Tanzprojekt". Dieses Projekt zeigt, wie kreative Ansätze dazu beitragen können, das Wohl von Kindern zu fördern. Mehr dazu erfahren Sie hier.
Ein weiteres wichtiges Thema im Bereich Kinderschutz ist die Unterstützung von Familien in Krisenzeiten. Der Artikel "Schulbeginn unter Kriegsbedingungen in der Ukraine" beleuchtet die Herausforderungen, denen Kinder und Familien in solchen Situationen gegenüberstehen. Es ist entscheidend, dass wir als Gesellschaft zusammenhalten und Lösungen finden. Lesen Sie mehr über dieses Thema hier.
Auch der Bereich der Freizeitgestaltung spielt eine wichtige Rolle beim Kinderschutz. Kinder brauchen sichere und anregende Freizeitangebote. Der Artikel "Hobbys Kinder" gibt Ihnen wertvolle Tipps, wie Sie geeignete Aktivitäten für Ihre Kinder finden können. So können Sie sicherstellen, dass Ihre Kinder in einer sicheren Umgebung aufwachsen. Weitere Informationen finden Sie hier.