Letztes Update: 15. August 2024
Ferienlager bergen Gefahren: Alkohol- und Drogenmissbrauch sowie sexueller Missbrauch kommen vor. Betreuer:innen sind oft unzureichend geschult. Die ARD-Doku 'Albtraum Ferienlager?' beleuchtet diese Risiken.
In Ferienlagern kommt es offenbar immer wieder zu Alkohol- und Drogenmissbrauch, sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen sowie überforderten Betreuer:innen. Dies zeigen Recherchen des SWR Investigativformats "Vollbild". Außerdem werden Betreuende in Ferienlagern teilweise nur unzureichend geschult. Einer der größten kommerziellen Anbieter von Kinder- und Jugendreisen in Deutschland, Jugendtours Jugendreisen, verlangt von seinen Betreuer:innen weder einen Erste-Hilfe-Kurs noch ein erweitertes Führungszeugnis. Die "Vollbild"-Doku "Albtraum Ferienlager? Wie gefährlich sind Kinder- und Jugendreisen?" ist in der ARD Mediathek abrufbar.
Kinder und Jugendliche werden in Ferienlagern nicht immer gut betreut. Alkohol und Drogen sind bei Jugendreisen offenbar immer wieder präsent. Das erzählen ehemalige Teilnehmerinnen und ein ehemaliger Betreuer im Interview mit "Vollbild". Bewertungen großer Anbieter auf Online-Plattformen stützen dies. Kommerzielle Anbieter von Ferienlagern legen zudem nach "Vollbild"-Recherchen teilweise zu wenig Wert auf den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch.
Eine junge Frau berichtet im Interview, dass sie als Kind im Ferienlager sexuell missbraucht wurde. Hilfe von anderen Betreuerinnen und Betreuern habe sie nicht erhalten. "Die anderen Betreuer wussten alle davon, da bin ich mir ziemlich sicher", sagt sie, denn es sei offensichtlich, "wenn ich nicht mit den anderen Kindern zusammen schlafe, sondern bei ihm. Aber es hat niemand was dazu gesagt." Der Betreuer hat sich an ihr über mehrere Jahre sexuell vergangen. Nach Jahren des Albtraums hat sich das Mädchen schließlich seinen Eltern gegenüber geöffnet. Der Täter wurde angezeigt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
Ein erweitertes Führungszeugnis kann verhindern, dass vorbestrafte Sexualstraftäter:innen als Betreuer:innen Zugriff auf Kinder und Jugendliche bekommen. Die Beantragung ist für ehrenamtliche Tätigkeiten in der Regel kostenlos. Expert:innen bezeichnen die Vorlage als Mindestanforderung für jegliche Arbeit mit Kontakt zu Kindern und Jugendlichen. Einer der größten kommerziellen Anbieter von Kinder- und Jugendreisen in Deutschland, Jugendtours Jugendreisen, verlangt nach "Vollbild"-Recherchen von seinen Betreuenden kein solches erweitertes polizeiliches Führungszeugnis. Es könnte also eine für eine Sexualstraftat verurteilte Person als Betreuer:in mitfahren - Jugendtours würde es möglicherweise nicht bemerken. Der Anwalt von Jugendtours teilte mit, dass keine gesetzliche Pflicht bestehe, ein erweitertes Führungszeugnis zu verlangen. Außerdem biete dieses "keinerlei Sicherheit", da laufende Verfahren nicht einflössen. Auch frühere Straftaten seien darin nicht vollumfänglich ersichtlich.
"Vollbild"-Recherchen zeigen, wie einfach es ist, als Betreuer im Kinderferienlager zu arbeiten: Ein Reporter hat sich undercover im Ferienlager beim Anbieter Jugendtours Jugendreisen beworben. Um dort arbeiten zu können, musste er lediglich eine fünfstündige Online-Schulung absolvieren. Durch den Abschlusstest, dessen Bestehen Jugendtours auf seiner Webseite zur Bedingung macht, fiel er absichtlich durch. Bei einer Nachschulung musste der Lockvogel lediglich eine Frage richtig beantworten: Was zu beachten sei, wenn man mit Kindern einen Ausflug macht? Die richtige Antwort: Darauf zu achten, dass alle vorher noch einmal auf die Toilette gehen. Anschließend durfte er eine Woche lang im Ferienlager sechs- bis zwölfjährige Kinder betreuen.
Die Schulung sei nicht ausreichend, kritisiert Dennis Peinze, Geschäftsführer des BundesForum Kinder- und Jugendreisen e.V.: "In der Regel spricht man von zwei Wochenenden oder einer kompletten Woche, die so eine Schulung umfassen sollte, um dann tatsächlich auch das notwendige Handwerkszeug als Betreuerin oder Betreuer zu haben." Einen praktischen Erste-Hilfe-Kurs musste der Lockvogel ebenfalls nicht absolviert haben, um als Betreuer mit ins Ferienlager fahren zu können. Der Anwalt von Jugendtours teilt mit, "dass der Reporter die Prüfung schlussendlich bestanden hat". Außerdem verweist er darauf, dass die Teilnehmer:innen neben der Online-Schulung auch "entsprechendes Informationsmaterial, welches Bestandteil der vertraglichen Bindung und zwingend von den Betreuern zur Kenntnis zu nehmen ist bzw. durchgearbeitet werden soll", erhielten. Zudem hätten alle Reiseleiter eine aktuelle Ersthelferausbildung.
Der Reporter erlebte während seiner einwöchigen Undercover-Recherche überforderte Betreuerinnen und eine Reiseleiterin, die zweitweise nicht greifbar war, da sie beispielsweise ihren Partner zum Bahnhof brachte. Dass der Freund der Reiseleiterin vor Ort war, sei mit Jugendtours abgesprochen gewesen, so der Anwalt des Anbieters.
Während Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe einer Kontrolle unterliegen, existiert diese für kommerzielle Anbieter nicht. Dies kritisiert die Erziehungswissenschaftlerin Ursula Enders. Sie ist im Vorstand des Vereins Zartbitter e. V. und betreut seit Jahrzehnten Opfer von sexuellem Missbrauch. "Kommerzielle Anbieter unterliegen keiner fachlichen Aufsicht, keinerlei Sanktionsmöglichkeiten. Jede Pommesbude wird vom Gesundheitsamt kontrolliert, aber jeder darf mit Kindern arbeiten, ob er qualifiziert ist oder nicht." Kommerzielle Anbieter drohten, aufgrund der fehlenden Kontrolle zu einem "Täterparadies" zu werden. Während Expertinnen und Experten fordern, dass kommerzielle Anbieter von Kinder- und Jugendfreizeiten einer Aufsicht unterliegen sollten, sieht das Bundesfamilienministerium auf Anfrage keinen Handlungsbedarf.
Die "Vollbild"-Doku "Albtraum Ferienlager? Wie gefährlich sind Kinder- und Jugendreisen?" beleuchtet die Risiken, denen Kinder und Jugendliche auf Reisen ausgesetzt sein können. Solche Reisen sind oft ein wichtiger Teil der Entwicklung und bieten viele Chancen. Doch sie bergen auch Gefahren, die Eltern kennen sollten. In der Doku werden verschiedene Aspekte beleuchtet, die Ihnen helfen können, informierte Entscheidungen zu treffen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt, der in der Doku angesprochen wird, ist die finanzielle Unterstützung für Jugendliche. Diese kann eine große Hilfe sein, um sicherzustellen, dass Ihre Kinder Zugang zu sicheren und gut organisierten Reisen haben. Mehr dazu erfahren Sie in unserem Artikel über finanzielle Unterstützung Jugendliche 2024. Hier finden Sie wertvolle Informationen, wie Sie finanzielle Hilfen beantragen können.
Die Sicherheit Ihrer Kinder steht natürlich an erster Stelle. Daher ist es auch wichtig zu wissen, wie Schulen in solchen Situationen agieren. In unserem Artikel zur Informationspflicht der Schule bei gemeinsamer elterlicher Sorge erfahren Sie, welche Pflichten Schulen haben und wie Sie sicherstellen können, dass Sie immer gut informiert sind.
Ein weiterer interessanter Aspekt ist das globale Jugendengagement. Solche Programme können eine großartige Möglichkeit sein, die Welt zu entdecken und gleichzeitig etwas Gutes zu tun. Lesen Sie mehr darüber in unserem Artikel Globales Jugendengagement fördern. Hier finden Sie spannende Projekte und erfahren, wie Ihre Kinder daran teilnehmen können.